Australien liegt daneben


Australien

Die Kängurus in Australien hoppeln unbeirrt durchs Outback, die Koalas machen bei ihrer Suche nach Eukalyptusblättern keinen besonders verirrten Eindruck, und selbst der Tasmanische Teufel wirkt nicht so, als hätte er Orientierungsprobleme auf seiner ständigen Suche nach Beute. Und dennoch: Irgendetwas stimmt mit Australiens Geodaten nicht. Was ist da los?

Huuup, splitter, kraaach

Das Gesicht der Erde, wie wir es kennen, existiert seit noch nicht allzu langer Zeit. Jedenfalls nach erdgeschichtlichen Maßstäben. Schuld hat die sogenannte Kontinentaldrift. Die Erdoberfläche, wie wir sie heute aus dem All sehen, ist nur eine Momentaufnahme. Und so winzig klein ein solcher Moment im Vergleich zu den 4,6 Milliarden Jahren auch erscheinen mag, manchmal spüren wir ihn trotzdem. Fragen wir doch mal die Australier.

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Huuup, splitter, kraaach, auf Sydneys Cahill Expressway, der über die Harbour Bridge führt, hat es ordentlich gescheppert, wie man so unschön sagt. Wie so oft in der Stadt und in den anderen Metropolen und Mittelstädten Australiens, seit diese selbstfahrenden Autos die Herrschaft über die Straße übernommen und personengelenkte Fahrzeuge fast völlig verdrängt haben. Doch was überall woanders auf der Welt funktioniert, ist in Australien und anderen Ländern dieses Kontinents ein riesiges Problem.

Kein Pappenstiel

Das ist bis jetzt zwar nur ein mögliches Zukunftsszenario, doch wenn nicht bald etwas passiert Down Under, dann könnte es schon bald Realität werden. Und das nicht, weil australische Navis oder sonstige GPS-Geräte schlechter wären als anderswo auf der Welt. Sondern weil die Kontinentaldrift die australische Platte viel schneller wandern lässt, als das im Rest der Welt der Fall ist. Mit einer Geschwindigkeit von sieben Zentimetern im Jahr wandert der Erdteil, zu dem die Staaten Australien, Papua-Neuguinea und Westguinea zählen, das wiederum zu Indonesien gehört. Neuseeland hingegen wird verstörenderweise zum fast völlig unter Wasser liegenden Kontinent Zealandia gezählt.

Quark im Schaufenster
Vor 200 Millionen Jahren war Australien noch Quark im Schaufenster der Erde. Quelle: Wikipedia

Wir richten unser Hauptaugenmerk aber auf Australien, denn sieben Zentimeter im Jahr, das ist beileibe kein Pappenstiel. Weil die Australier ein schlaues Völkchen sind, wissen sie das längst und haben ihre Breitengrade und Längengrade in den letzten 50 Jahren vier Mal aktualisiert. Das Problem: 1994, als das letzte Update stattgefunden hat, war GPS im täglichen Leben noch nicht von Bedeutung. Aber was heißt das alles denn nun?

Geodaten aus der Zukunft

Ganz einfach: Smartphones etwa zeigen dem User einen Standort an, der sich einige Meter vom tatsächlichen Standort entfernt befindet. Das sagte Dan Jaksa von der Geowissenschaftlichen Behörde der Australian Broadcasting Corporation. Es gelte nun, diesen Fehler zu beheben. Für Smartphone-Nutzer ist die Diskrepanz zwar erträglich, doch bei fahrerlosen Autos und ferngesteuerten Vehikeln im Bergbau und in der Landwirtschaft sieht das ganz anders aus. So gibt Jaksa für Autos ohne Fahrer zu bedenken: „Wenn du 1,5 Meter daneben liegst, dann fährst du auf einer anderen Spur.“

Anderthalb Meter, das ist tatsächlich die aktuelle Abweichung, die sich von 1994 bis heute angehäuft hat. Zum Nachrechnen: Sieben Zentimeter pro Jahr in 22 Jahren, das ergibt genau 1,54 Meter. Wenn niemand etwas unternimmt, dann sind es in vier Jahren schon mehr als 1,80 Meter. Doch strickt ein Netzwerk renommierter Wissenschaftler seit einiger Zeit an jenem neuen Koordinatensystem, das Australien so dringend benötigt. Zum Jahreswechsel von 2016 auf 2017 soll es soweit sein. Dann erhält Australien neue Karten und Geodaten – und zwar aus der Zukunft. Die Experten setzen darin die Werte ein, die erst im Jahr 2020 erreicht werden, die 2017 also noch um mehr als 20 Zentimeter abweichen.

Gewaltige Spannungen in Australien

Der australische Kontinent driftet also mit hoher Geschwindigkeit nach Norden. Und die Nordküste Australiens ist vom Malaiischen Archipel gar nicht so weit entfernt. In etwa 15 Millionen Jahren, das erwarten Geologen, werden bereits weite Teile Nordaustraliens verschwunden sein, da sich der australische Kontinent unter die Sundainseln schieben wird. Wenn es dort dann noch Menschen gibt, dann werden die Geodaten deren kleinstes Problem sein.

Känguru
Den Kängurus sind die Geodaten egal, jedenfalls fürs erste. Quelle: Wikipedia

Und die Kollision der Australischen Platte mit Eurasien, wozu der Sundabogen und Papua-Neuguinea als südöstlichste Region noch gehören, hat bereits begonnen. Schon heute ist Australiens äußerster Schelf, also der unter Wasser befindliche Festlandsockel, im Begriff, sich unter diese Inselgruppen zu subduzieren. Obwohl die Kollision gerade erst begonnen hat, sind die Spannungen, die sich in Zentralaustralien aufbauen, messbar. Dort kommt es schon zu tektonischen Überschiebungen und Erdbeben. Spürbar sind sie sogar noch in der Flinders Range im Territorium South Australia, in mehr als 2.500 Kilometer Entfernung vom Ort der Kollision.


Was weißt Du noch über Plattentektonik, Kontinentaldrift und Co.? Und gibt es auf der Welt Regionen, die davon permanent und stark betroffen sind? Denkt nur an Tsunamis und Vulkane… Viel Spaß beim Diskutieren!

Titelbild: Wikimedia

Holger

Freier Journalist und Texter. Recherchiert und schreibt über alles, was nicht 08/15 ist und Eindruck hinterlässt. Ist gern unterwegs in der Weltgeschichte.

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