Wer den Film Arrival gesehen hat, der kam bereits mit der Sapir-Whorf-Hypothese in Berührung. Denn der Film zeigt wie Aliens auf die Erde kommen und eine Sprachwissenschaftlerin versucht, mit den andersartigen Wesen zu kommunizieren. Doch schon bald merkt die Protagonistin, wie das Entschlüsseln der fremden Sprache ihre eigenen Gedanken beeinflusst. Und genau darum geht es bei der Sapir-Whorf-Hypothese, denn sie besagt, dass die Struktur der Sprache die Art des Denkens beeinflusst.
Sapir-Whorf-Hypothese
Die 1954 von dem Linguisten Harry Hoijer eingeführte Sapir-Whorf-Hypothese postuliert, dass die Gedankengänge, zu denen ein Mensch fähig ist, durch die Struktur und das Vokabular einer Sprache beeinflusst werden. Demnach könne nicht jeder Gedankengang, den ein Mensch in einer Sprache hat, problemlos in einer anderen Sprache verstanden werden. Die Sapir-Whorf-Hypothese beruht auf zwei zentralen Elementen: dem sprachlichen Relativitätsprinzip sowie der Abhängigkeit der Begriffsbildung von der Sprache.
Vielleicht interessiert Dich auch das hier: Der Returning Soldier Effekt – Warum in Kriegszeiten mehr Jungen als Mädchen geboren werden
Sprachliche Relativität
Das Sprachliche Relativitätsprinzip beschreibt dabei die sprachtheoretische Auffassung, dass die genutzte Sprache eine bestimmte Sichtweise auf die Realität hervorbringt, da Sprachen die Umwelt auf unterschiedliche Weise aufgliedern. Ein simples Beispiel ist hier bereits die Bezeichnung von Farben, denn während es im Deutschen blau und grün gibt, existieren im Walisischen lediglich die Wörter gwyndd für grün und glas für das Farbspektrum von Blau bis grün. Es gibt in dieser Sprache also kein Blau ohne Grün, sodass eine eindeutige Bezeichnung von blauen Objekten schwerfällt.
Unterschiede in der Begriffsbildung
Unsere Sprache dient der Erfassung von Gedanken und Realität. Allerdings gibt die verwendete Sprache eine semantische Struktur vor und bietet eine begrenzte Auswahl von Begrifflichkeiten, die wiederum die Bildung neuer Begriffe determiniert. Da sich unsere Gedankenwelt in der vorwiegend verwendeten Sprache abspielt, haben Whorf und Sapir abgeleitet, dass die Sprache das Denken beeinflussen muss.
Sapirs Werk …
Hoijer leitete diesen Zusammenhang aus den Schriften seines Lehrmeisters Edward Sapir ab. Dieser unterrichtete unter anderem an der Yale University, wo er den Lehrstuhl für Anthropologie innehatte und sich folglich mit Menschen und deren Verhaltensweisen beschäftigte. Während seines eigenen Studiums viele Jahre zuvor an der Columbia University, widmete er sich dagegen der Linguistik. Von beiden Forschungsgebieten fasziniert, überrascht es daher nicht, dass er versuchte, diese miteinander zu verknüpfen.
Er erforschte inwieweit sich Sprache und Kultur gegenseitig beeinflussen, beispielsweise wie sprachliche Unterschiede auch eine kulturelle Verschiedenheit hervorrufen können. Auch sein Student Benjamin Lee Whorf interessierte sich für diesen spannenden Nexus und prägte den Begriff der Sprachlichen Relativität.
… und Whorfs Beitrag
Whorf widmete sich der Linguistik und seinen Theorien hauptsächlich in seiner Freizeit, während er hauptberuflich seiner Tätigkeit als Brandverhütungsinspektor für eine Feuerversicherung nachging. Dennoch gelang es ihm, sich auf seinem Forschungsgebiet einen Namen zu machen und später sogar Sapirs Vorlesungen nach dessen Tod im Jahr 1939 zu übernehmen. Er verfasste in seiner Schaffenszeit unzählige Veröffentlichungen und untersuchte zahlreiche Sprachen, insbesondere die indigener Völker wie der Hopi-Indianer.
Doch dem Forscher begegneten seine Gedanken auch während seiner Tätigkeit für die Versicherung. Bei einem Fall hatte ein fremdsprachiger Arbeiter eine Flasche mit hoch entzündlicher Flüssigkeit in der Nähe eines Heizkörpers abgestellt. Da auf der Flasche highly inflammable zu lesen war, dachte er, dass flammable entflammbar bedeutet und die Vorsilbe in somit das Gegenteil suggeriert. Das war allerdings ein Trugschluss, der zu einer Explosion führte und Whorf darin bestätigte, dass Sprachstrukturen das Denken beeinflussen. Denn in vielen Sprachen – teils auch im Englischen – bedeutet solch ein Vorsilbe tatsächlich die Negierung, so wie das deutsche un.
Stimmt die Sapir-Whorf-Hypothese?
Ein Experiment mit spanischen und deutschen Muttersprachlern, die nur eine der beiden Sprachen beherrschten, sowie mehrsprachigen Personen – ebenfalls deutsch und spanisch – konnte die Sapir-Whorf-Hypothese bestätigen. Den Probanden wurde ein Bild von einer Brücke gezeigt, der sie im Anschluss Adjektive zuordnen sollten. Da das Wort Brücke im Spanischen maskulin und im Deutschen feminin ist, wurden von den monolingualen Teilnehmern überwiegend auch die zum grammatischen Geschlecht passenden Beschreibungen gewählt, beispielsweise elegant oder robust. Unter den mehrsprachigen Personen fiel das Ergebnis wiederum gemischt aus, sodass der Einfluss der Sprache auf Denkschemata definitiv anerkannt werden kann. Dies wird oft als die schwache Form der Hypothese bezeichnet, die gemeinhin akzeptiert wird.
Die starke Form besagt dagegen, dass alle Gedanken durch die Sprache limitiert werden und wird eher kritisch betrachtet. Allein ein einfaches Alltagsbeispiel führt zum Verwerfen der Hypothese. Denn es gibt durchaus Situationen und Sachverhalte, die man vollständig durchdrungen hat, ohne sie richtig erklären zu können. Es kann also vorkommen, dass ein Gedanke komplett ausgeformt ist, ohne diesen tatsächlich verbalisieren zu können. Somit ist das Denken eben nicht in jedem Fall den sprachlichen Grenzen unterworfen.
Was sagt Ihr zur Sapir-Whorf-Hypothese und ihrer Bedeutung? Wir sind fasziniert von dem Gedanken, dass das Erlernen einer neuen Sprache veränderten Gedankengängen führen kann und vielleicht sogar hilft, Probleme von einer neuen Seite betrachten zu können? Habt Ihr das vielleicht sogar schon selbst erfahren? Dann lasst es uns gern in den Kommentaren wissen.