Gravitationswellen und der Blick zurück zum Urknall


Gravitationswellen

Der Nachweis von Gravitationswellen ist nur der vorerst letzte Schritt auf dem Weg zur Stunde null. Vier Jahrhunderte nach Galilei und Kepler, die mit ersten optischen Teleskopen in den Nachthimmel spähten, sind Astrophysiker jetzt dem großen Nichts auf der Spur – dem Urknall. Und womöglich sogar dem, was vorher war.

Gibt es zyklische Universen?

Jetzt werden einige aufschreien. Ein Vorher, das kann es physikalisch doch gar nicht gegeben haben, weil Raum und Zeit schließlich erst mit dem Urknall entstanden sind. Das ist, jedenfalls zurzeit, die gängige Meinung. Doch Physiker wie der Deutsche Martin Bojowald von der Penn State University haben da andere Ideen. So könnte der Urknall nicht nur der Beginn unseres Universums, sondern auch das Ende eines Vorgänger-Universums gewesen sein. Experten sprechen dabei von zyklischen Universen – sie expandieren nach dem Big Bang, stürzen irgendwann wieder in sich zusammen und verdichten sich erneut zu einem unfassbar winzigen Punkt, von dem der nächste Urknall ausgeht. Schöne Theorie irgendwie.

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Doch bis hierzu Beweise oder Gegenbeweise gefunden sind, wird es dauern. Einstweilen konzentriert sich die Astrophysik auf einen Nachweis, der zum jetzigen Zeitpunkt sensationeller kaum sein könnte: Gravitationswellen. Aber was ist das eigentlich? Einfach ausgedrückt, handelt es sich dabei um Wellen, die bei einem kosmischen Superereignis entstanden sind, etwa beim Zusammenprall zweier Schwarzer Löcher. Die Wellen verbreiten sich dann im Lauf der Jahrmillionen durch das All. Jetzt haben zwei eigens dafür konstruierte Detektoren in den USA diese Bewegungen erfasst. Ein Volltreffer.

Gravitationswellen, Gammastrahlenausbrüche, kollidierende Neutronensterne – und der Urknall

Gravitationswellen können aber durchaus anderen Ursprungs sein. Wenn etwa zwei Neutronensterne kollidieren, erzeugt das ebenfalls diese Wellen. Dazu muss man wissen, dass ein Neutronenstern so unglaublich schwer ist, dass wir es nicht begreifen können. Ein einziger handelsüblicher Esslöffel davon wiegt grob gesagt drei Billionen Kilogramm, das ist eine Drei mit zwölf Nullen. Norman Gürlebeck vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation umschreibt es so: Das wäre in etwa die Dichte, die entstünde, wenn unsere Sonne mit ihrem Durchmesser von 1,4 Millionen Kilometern auf zehn Kilometer schrumpfen würde, ohne Masse zu verlieren. Schwer zu begreifen.

Gravitationswellen
Neutronenstern frisst Roten Riesen

Mit den eingesetzten Detektoren, die in Zukunft noch weiterentwickelt werden sollen, wollen die Astrophysiker demnächst sogar kosmische Ereignisse ganz anderer Dimension nachweisen können: Gammastrahlenausbrüche. Diese sind vermutlich ebenfalls Auswirkungen von Neutronensternen, die ineinanderkrachen. Würden die Ausbrüche Hand in Hand mit Gravitationswellen nachgewiesen, wäre der Beweis dafür geliefert – und die Wissenschaft auf der Spur der größten Energiequellen im All nach dem Urknall. Ein Gammastrahlenausbruch nämlich setzt innerhalb des Bruchteils einer Sekunde so viel Energie frei, wie alle Sterne einer Galaxie zusammengenommen innerhalb eines Jahres. Bizarr, wenn wir bedenken, dass sich etwa in der Milchstraße bis zu 300 Milliarden Sterne befinden.

Annäherung an die große Unbekannte

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Diese Ausbrüche stammen meist vom Rande des Universums; sie haben sich vor vielen Milliarden Jahren ereignet. Damit reisen die Forscher in der Zeit immer weiter zurück und stoßen dabei in Dimensionen vor, die vom Urknall zeitlich nicht mehr weit entfernt sind. Und genau dort liegt das ambitionierte Ziel der Forscher. Sie spekulieren darauf, dass auch der Big Bang vor 13,8 Milliarden Jahren Spuren hinterlassen haben muss, die heute noch nachzuweisen sind. Das würde bedeuten, dass Gravitationswellen dieses ungeheuren Ereignisses noch heute durchs All rauschen und messbar sind. Und wenn das möglich ist, so die Wissenschaftler, dann müsste auch zu beweisen sein, dass damals tatsächlich eine Inflation stattgefunden hat – die Aufblähung des Weltalls in Sekundenbruchteilen, bei der die Lichtgeschwindigkeit nicht annähernd Schritt halten konnte.

Die angenommene Geschichte des Universums
Die angenommene Geschichte des Universums

Klingt fantastisch genug, aber auch der Nachweis des Urknalls ist Physikern wie Bojowald noch nicht genug. Weil Bojowald – 400 Jahre nach Galilei und Kepler – von der Idee der zyklischen Universen überzeugt ist, meint er auch, dass Gravitationswellen die Chance darstellen, das Universum vor unserem Universum ergründen zu können. Sollte das gelingen, es wäre – man darf das ohne zu übertreiben behaupten – mit Sicherheit die größte Entdeckung aller Zeiten. Dagegen würde wohl sogar die Entdeckung außerirdischen Lebens verblassen, sollte es sie denn in nächster Zeit geben.

Kein Anfang und kein Ende?

Gelänge die Beweisführung, steht die Menschheit vor einem Problem. Der Urknall wäre dann nicht mehr der Anfang von allem, sondern nur ein Anfang von vielen. Ein zyklisches Universum, das sich immer wieder aus sich selbst speist, scheint in der Tat nicht mehr ausgeschlossen. Für den menschlichen Geist ein irres Paradoxon, erscheinen uns Dinge doch fast nur logisch, wenn sie einen Anfang und ein Ende haben. Ein Universum, das sich immer wieder selbst gebiert – das müssten wir wahrscheinlich erst mal verkraften.


Puh. Gravitationswellen, Gammablitze, zyklische Universen. Ganz schön kompliziert, oder denkt ihr, dass es andere mögliche Modelle gibt? Nutzt die Kommentarfunktion unter dem Text, sagt uns eure Meinung und diskutiert einfach drauf los!

Quelle Titelbild:Jet Propulsion Laboratory, California Institute of Technology 

Holger

Freier Journalist und Texter. Recherchiert und schreibt über alles, was nicht 08/15 ist und Eindruck hinterlässt. Ist gern unterwegs in der Weltgeschichte.

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