Warum wir an Horoskope glaube


Ein Horoskop bildlich dargestellt

Ja, dies sind schwierige Zeiten – auch für das Horoskop, so sollte man annehmen. Abermillionen Menschen flüchten vor Krieg und Terror. In Europa erwachen Kräfte aus einer dunklen Zeit. Donald Trump ist US-Präsident. Und dann gewinnt Florian Silbereisen auch noch den Fernseh-Bambi. Doch was macht die Menschheit? Reagiert gewohnt unsouverän – und beginnt noch stärker, an Astrologie zu glauben. Eine Erklärung dafür gibt es höchstens in der Psychologie.

Das Horoskop und seine Untiefen

Marcel Petiot war ein Mann, mit dem man sicher nicht gern getauscht hätte. Im von den Nazis besetzten Frankreich versprach er jüdischen Mitbürgern, sie vor den Fängen der Deutschen zu bewahren. So lockte er sie in sein Haus, wo er sie brutal ermordete und sich ihrer Habhaftigkeiten bemächtigte. Doch auch andere fielen Petiot zum Opfer. Insgesamt wurden ihm 27 Morde nachgewiesen. Petiots Leben hätte man als Otto Normalverbraucher sicher nicht gern geführt.

Die astronomische Uhr in Prag - Horoskope waren immer schon sehr beliebt
Die astronomische Uhr in Prag – Horoskope waren immer schon sehr beliebt. Foto: Wikipedia

Oder? Man kann sich da nicht ganz sicher sein. Als Michel Gauquelin, französischer Psychologe und Astrologe, in den Sechzigerjahren 150 Probanden ein angeblich persönliches Horoskop schickte, verbunden mit der Frage, inwieweit das persönlich authentisch sei, antworteten mehr als 90 Prozent der Befragten, dass der Text auf ihr Leben zuträfe. Dabei war das Horoskop sogar ein echtes. Nämlich jenes, das für den 17. Januar 1897 erstellt worden war. Der Geburtstag von Marcel Petiot.

Sternzeichen, Horoskop und Co. – warum glauben wir daran?

Das, was sich Astrologen und Wahrsager so einfallen lassen, damit wir denken, dass die „Sterne“ unser Leben so gut beschreiben und vorhersagen, ist nicht gerade konkret zu nennen. Im Gegenteil. Je vager ein Horoskop bleibt und je positiver die darin getätigten Aussagen über uns sind, desto eher neigen wir dazu, daran zu glauben. Krasser ausgedrückt: Wir glauben jeden Mist, der uns in einem Horoskop nicht allzu schlimm dastehen lässt. Einen besonders schönen Beweis für diese These lieferte der amerikanische Psychologe Bertram Forer schon 1948.

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Forer hatte Studenten einen Persönlichkeitstest ausfüllen lassen, dessen „Ergebnis“ er ihnen anschließend vortrug. Dann ließ er sie beurteilen, wie gut diese Resultate die jeweilige Persönlichkeit beschrieben. Im Schnitt stimmten die Studenten mit 4,2 von 5 möglichen Punkten zu, dass der Test sie recht zutreffend beschrieben hatte. Ein absoluter Witz, denn Forer hatte allen Probanden das exakt gleiche Testergebnis vorgelegt. Ein noch besserer Witz: das „Testergebnis“ hatte Forer aus einzelnen Phrasen arrangiert, die er aus einem Horoskop in einer Zeitung entnommen hatte. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Vorhersagen in Horoskopen beliebig, austauschbar und damit völlig irrelevant sind.

Nicht immer ist ein Horoskop harmlos

Nun, bis jetzt sind das ungefährliche Beispiele. Doch es kann auch anders kommen, so geschehen im Jahr 1966 in Japan. Weil für dieses Jahr laut Horoskop die Ankunft des Hinoe-Uma – das Alte Feuerpferd – prophezeit worden war, trieben mindestens 20.000 Frauen ihre weiblichen Föten ab. Und das nur, weil die Japaner am Aberglauben hängen, dass dieses Feuerpferd ein schlechtes Omen für jene Mädchen bedeutet, die im Jahr seiner Ankunft geboren werden.

Wer will, kann aus den Sternenkonstellationen alles mögliche herauslesen, es gibt keine Gegenbeweise. So müssen Horoskope entstanden sein
Wer will, kann aus den Sternenkonstellationen alles mögliche herauslesen, es gibt keine Gegenbeweise. So müssen Horoskope entstanden sein. Quelle: Wikipedia

Und überhaupt: Wer glaubt ernsthaft an einen Zusammenhang zwischen seinem Tierkreiszeichen, das von einem bestimmten Sternbild dargestellt wird, und seinem eigenen Schicksal? Wer etwa im Tierkreiszeichen des Stiers geboren ist, hat zwischen dem 21. April und dem 21. Mai Geburtstag. Das Sternbild enthält 17 Sterne, die zwischen 65 und 2.100 Lichtjahre von uns entfernt sind. Was diese Sternenstellung mit einem Menschen zu tun haben soll, der sagen wir am 1. Mai 1970 bei Stuttgart geboren ist? Oder auf den Bahamas? Eben.

Der Aberglaube nimmt zu

Etwa zwei Prozent aller Deutschen sollen angeblich unbedingt und ausschließlich an ihr Horoskop bzw. ihre „Sternenkonstellation“ glauben. Und fast ein Viertel hierzulande denkt, dass die Sterne einen Einfluss auf das Leben haben. Man möchte sie sofort in den Arm nehmen und zurufen: Stimmt! Wenn etwa die Sonne sich zum roten Riesen aufblähen würde, wäre ihr Einfluss auf unser Leben echt enorm. Sie würde uns nämlich auslöschen.

Und wen wundert es in Zeiten wie diesen, wenn man lesen muss, dass es immer weniger Amerikaner gibt, die die Astrologie als unwissenschaftliche Methode ablehnen? Der Trend geht jedenfalls in diese Richtung. 2010 waren es noch 66 Prozent, die Astrologie für baren Unsinn hielten; 2012 nur noch etwas mehr als die Hälfte. Dass die Vernunft immer weiter zurückgedrängt wird, ist ja nicht nur aufgrund des Wahlausgangs offensichtlich. Und nicht zuletzt lässt sich mit einem Horoskop die Verantwortung für das eigene Tun ganz leicht auf die Sterne abwälzen.


Tja. Astrologie ist keine Wissenschaft – aber viele Menschen tun so, als sei sie das. Ist das gefährlich? Oder nur harmlose Spinnerei? Viel Spaß beim Diskutieren!

QuelleTitelbild: Wikipedia

Holger

Freier Journalist und Texter. Recherchiert und schreibt über alles, was nicht 08/15 ist und Eindruck hinterlässt. Ist gern unterwegs in der Weltgeschichte.

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