„Sport ist Mord“ sagt der Dichter – und tatsächlich steckt auch in dieser Phrase ein Fünkchen Wahrheit. Immer wieder verunglücken selbst erfahrene Profis bei einfachen aber auch waghalsigen Sportarten. Besonderes Aufsehen hatte hier der tragische Skiunfall von Michael Schuhmacher erregt, der sein Leben für immer veränderte. Auch die Schwedin Anna Bågenholm verunglückte abseits der Piste und stellte bei dem sich anschließenden Überlebenskampf einen fürchterlichen Rekord auf. Denn obwohl ihre Körpertemperatur auf 13,7°C absank, überlebte sie das Martyrium fast ohne bleibende Schäden. Lest hier die ganze Geschichte!
Anna Bågenholm liebte das Skifahren
Als sich Anna Bågenholm am 20. Mai 1999 gemeinsam mit zwei Kollegen aufmachte, um ihrer Passion für das Skifahren zu folgen, wusste sie noch nicht, dass sie an diesem Tag einen tragischen Rekord aufstellen würde. Die 29-jährige Schweden war nach Narvik in Norwegen gegangen, um Orthopädin zu werden und absolvierte im örtlichen Krankenhaus ihre Zeit als Assistenzärztin unter ihrem Mentor Yngve Jones.
Jones hatte anlässlich seines bevorstehenden Ruhestands zu einer Feier geladen, die Anna Bågenholm jedoch nie erreichen sollte. Denn zuvor war die geübte Skifahrerin gemeinsam mit ihren Arbeitskollegen Marie Falkenberg und Torvind Næsheim in die Berge um Narvik gefahren, um die schneeweißen Pisten hinabzubrausen.
Abseits der Piste lauert das Verderben
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Da Bågenholm auch nach der Arbeit oft Ski fuhr, kannte sie sich in der Umgebung gut aus und traute sich auch Abfahrten abseits der Piste zu. An diesem Tag wurde ihr dieser Wagemut jedoch zum Verhängnis. Zunächst glitt sie den steilen Berghang versiert hinab, doch steuerte dann auf einen Wasserfall zu. Sie versuchte, die Ski daran vorbei zu navigieren, verlor bei dem Manöver allerdings die Kontrolle und stürzte infolgedessen kopfüber auf einen zugefrorenen Fluss.
Mit dem Rücken zuerst landete sie auf der 20 Zentimeter dicken Eisschicht. Durch die Wucht des Aufpralls zerbrach die massive Schicht jedoch und Anna Bågenholm rutschte mit ihrem gesamten Oberkörper und dem Kopf in das eiskalte Wasser. Während das Gewicht der durchtränkten Kleidung wie ein Anker an ihr zog, wurde sie zwischen Steinen unter dem Eis eingeklemmt. Als Falkenberg und Næsheim am Unfallort ankamen, konnten sie nur noch Bågenholms Ski und Füße aus dem vereisten Fluss herausstehen sehen.
Anna Bågenholms Kampf ums Überleben
Die nächsten Minuten nach der Ankunft am Unfallort gestalteten sich dramatisch. Falkenberg und Næsheim kletterten zu ihr hinunter und versuchten, sie so schnell wie möglich aus dem kalten Wasser zu ziehen. Sieben Minuten lang rangen sie um das Leben ihrer Kollegin, bis sie die Aussichtslosigkeit der Lage erkannten und von ihrem Handy aus Hilfe herbei riefen.
Zwei Rettungsteams machten sich unverzüglich auf den Weg zur Unfallstelle – eines vom Gipfel aus und das andere aus dem Tal. Auch ein Sea King Hubschrauber, der eigentlich ein krankes Kind transportierte, änderte seinen vorgesehenen Kurs und begab sich auf den Weg zu Bågenholm.
Anna Bågenholm wird gerettet
Während die Rettungsteams versuchten, Bågenholm so schnell wie möglich zu erreichen, hielten Falkenberg und Næsheim Bågenholms Ski fest, damit sie nicht noch tiefer in den Fluss rutschte. Sie fand unterdessen ein Luftloch, sodass sie 40 Minuten ruhig in ihrer misslichen Lage verharren konnte. Dann jedoch kam ihr Blutkreislauf zum erliegen.
Das Berg-Team erreichte als erstes die Unfallstelle. Unter der Leitung von Ketil Singstad versuchten, Bågenholm mithilfe eines Seils aus dem Fluss zu befreien, doch der Erfolg blieb aus. Auch freigraben konnten sie die Schwedin nicht, da deren Schaufel den dicken Eispanzer nicht zu durchbrechen vermochte. Kurz darauf traf auch das zweite Team ein und hatte glücklicherweise eine spitze Gartenschaufel im Gepäck. Damit gelang es den Rettern, ein Loch ins Eis zu hacken und Bågenholm hierdurch schließlich zu befreien.
Anna Bågenholm atmete nicht, als man sie endlich aus dem Wasser gezogen hatte. Ihr Blut zirkulierte nicht mehr und ihre Pupillen waren stark geweitet. Falkenberg und Næsheim, die beide Ärzte waren, begannen sofort mit der Reanimation. Inzwischen erreichte auch der Helikopter den Unfallort und brachte Bågenholm innerhalb einer Stunde in die Universitätsklinik von Tromsø. Dort angekommen betrug ihre Körpertemperatur gerade einmal 13,7°C.
Anna Bågenholm wird ins Leben zurückgeholt
Nach der Ankunft im Klinikum setzten die Ärzte die Wiederbelebungsversuche der Retter fort, doch das Elektrokardiogramm zeigte keine Ausschläge. Bågenholms Haut war weiß, sie war eiskalt und der Körper scheinbar leblos. Man brachte sie in einen Operationssaal, in dem 100 Ärzte und Krankenschwestern neun Stunden lang um das Leben der jungen Schwedin kämpften.
Um sie langsam aufzuwärmen, wurde sie an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die ihr Blut außerhalb des Körpers erwärmte und dann wieder zurückführte. Bereits 35 Minuten später konnte ein erster Herzschlag registriert werden. In den folgenden Stunden erhöhte sich ihre Körpertemperatur wieder auf ein normales Niveau und die Lungenfunktion setzte wieder ein. Selbstständig atmen konnte sie aber noch lange nicht – 35 Tage lang musste sie deshalb an ein Beatmungsgerät angeschlossen bleiben.
Die beschwerliche Genesung
Erst zehn Tage später erwachte sie aus ihrem Koma und war zu diesem Zeitpunkt vom Hals an abwärts gelähmt. Doch glücklicherweise war dieser Zustand nicht von Dauer und das Gefühl kehrte allmählich in den Körper zurück, während die Sorge vor einem bedeutungslosen Leben aus ihr wich. Es schlossen sich zwei Monate auf der Intensivstation an, bis ihre Nieren und ihr Verdauungssystem wieder normal arbeiteten.
Es dauerte noch einige Zeit, bis sie sich vollständig erholte, doch etwa fünf Monate nach ihrem Unglück konnte sie wieder an ihren Arbeitsplatz im Krankenhaus von Narvik zurückkehren. Auch das Krankenhaus von Tromsø besuchte sie, um die Menschen zu treffen, die sie nicht aufgaben und durch ihr beispielloses Engagement ihr Leben retten konnten.
Ein tragischer Rekord
Insgesamt war Anna Bågenholm 80 Minuten lang im eiskalten Wasser gefangen, eingequetscht zwischen Steinen, über ihr nur die undurchdringliche Eisschicht. Und obwohl ihre Körpertemperatur mindestens auf 13,7°C sank und Herzschlag sowie Kreislauf zum Erliegen kamen, überlebte sie den Vorfall ohne bleibende Hirnschäden. Das war ein neuer und zugleich tragischer Rekord.Die Ärzte gehen davon aus, dass das schrittweise Absinken ihrer Körpertemperatur den Stoffwechsel derart verlangsamte, dass kaum noch Sauerstoff verbraucht wurde.
Doch leider sollte auch dieser Rekord irgendwann gebrochen werden. Die siebenjährige Schwedin Stella Berndtsson stürzte im Dezember 2010 beim Spielen einen Hang hinunter in die eiskalte See. Dreieinhalb Stunden vergingen, bis sie gefunden und schließlich gerettet wurde. Als ihre Körpertemperatur später im Krankenhaus gemessen wurde, betrug diese sogar nur noch 13°C, was einen neuen Tiefpunkt darstellt.
Hattet Ihr bereits von der schockierenden Geschichte von Anna Bågenholm gehört? Was sagt Ihr dazu? Habt Ihr bereits einen schlimmen Unfall erlebt?