Gela Allmann überlebt einen 800-Meter-Sturz


800 Meter Sturz

Sie sitzt in einer Talkshow im ZDF und plaudert ganz entspannt vor sich hin. Relaxt, lächelnd und sympathisch. Aber das, was Angelika Allmann erzählt, lässt das Blut in den Adern gefrieren. Sie beschreibt sich selbst am Abgrund. Ihr Sturz ist eine unglaubliche Geschichte.

Ein letztes Foto vor dem Sturz

[dropcap style=“square“]A[/dropcap]pril 2014, auch in Island wird es langsam Frühling. Angelika Allmann, von allen nur Gela gerufen, steht auf einem mehr als 900 Meter hohen Berg. Das Shooting für eine Fitness-Zeitschrift ist fast beendet, als Allmann für ein letztes Foto posiert und dafür viel Risiko geht; sie läuft in den Abhang hinein, ein Nordhang. Aber was heißt schon Hang – es ist eine steile Schräge, die erst 900 Meter tiefer in einem Fjord endet.

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Gela Allmann
Gela Allmann und ihr Mann Marcel Maison, Quelle: Gela Allmann

Daran denkt Allmann noch nicht, als sie merkt, dass sie abrutscht. Sie versucht noch, sich irgendwo festzuhalten, aber nimmt zu rasch zu viel Geschwindigkeit auf. 150 Meter weiter unten – bis dahin war sie mehr geglitten als gefallen – wartet ein Fels, der dem Abgleiten insofern ein Ende bereitet, als er dafür sorgt, dass Allmann sich überschlägt. Und wieder und wieder und wieder überschlägt. Unzählige Male. Gela Allmann wird nur so herumgewirbelt, während sie darauf wartet, das Bewusstsein zu verlieren oder direkt zu sterben.

Ein Körper zerbirst

Gela Allmann Buch

In ihrem Buch „Sturz in die Tiefe“ schildert sie detailliert, was sie dann erlebt. Gela Allmann bleibt bei vollem Bewusstsein, während sie fjordwärts hinunterschießt. Sie merkt, wie erst ihr rechtes Knie bricht, dann das linke, dann die linke Schulter. Sie nimmt wahr, dass ihr Körper förmlich zerbirst, dass alles „kein verdammter Alptraum“ ist, aus dem sie gleich wieder erwachen würde. Sondern dass dieser Sturz ins Bodenlose etwas sehr Reales ist, das bald ihr Leben beenden wird. Und dass es nichts gibt, was sie dagegen tun könnte. Der absolute Horror.
Immer wieder prallt sie auf Felsen, überschlägt sich weiter und kann sich nicht halten, als es Gela Allmann irgendwie schafft, den Fall abzubremsen. Sie bleibt im Schnee liegen, 800 Meter unter dem Ausgangspunkt des Sturzes – und 100 Meter vor einer Felskante, an der der Hang abbricht und hinter der es im freien Fall in den Fjord hinuntergeht. Ein Sturz über diese Kante hätte ihren sicheren Tod bedeutet. Später erzählt sie der Süddeutschen Zeitung, sie habe in den Sekunden des Sturzes überlegt, ob sie genügend Zeit mit ihren Eltern verbracht habe, während sie „irgendwann nur noch bewusstlos werden“ wollte. Um die Tragödie nicht bei Bewusstsein miterleben zu müssen.

Ein echtes Wunder für Gela Allmann

Mein Körper war Matsch“, so sagte Gela Allmann im Spätsommer 2014 der Süddeutschen Zeitung. Beide Knie zerstört, Trümmerbruch der linken Schulter, gebrochene Rückenwirbel, gebrochenes Nasenbein, Schürfwunden noch und nöcher. Um ein Haar hätte der Abriss der Hauptarterie sie das rechte Bein gekostet, aber dass Allmann überhaupt noch lebt, grenzt an ein Wunder. Zehn Stunden lang schwebte sie an jenem 3. April 2014 in Lebensgefahr, erst nach der neun Stunden dauernden Not-OP in einem Hospital in Reykjavik, wohin Gela Allmann schnell transportiert wurde, retten die Ärzte nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Bein.

Für Allmann aber war schnell eines klar: das Leben geht nicht nur weiter, sondern alles wird wieder, wie es vor dem Unfall war. Also war Optimismus die erste Bürgerpflicht für Gela Allmann. Im Münchner Klinikum rechts der Isar, wohin sie nach einer Woche von Reykjavik verlegt wird, ist Helen Vester die behandelnde Assistenzärztin der Unfallchirurgie. Allmann sei von Beginn an sehr positiv gestimmt gewesen und habe „jeden kleinen Erfolg als Motivation genommen“, so Vester zur Süddeutschen Zeitung. Eine weitere Woche später beginnt Gela Allmanns Reha, in der sie sich von Anfang an quält und es manchmal übertreibt, weil sie ihren noch so kaputten Körper überfordert.

Gela Allmann
Gela Allmann nach ihrem schweren Unfall, Quelle: Baschi Bender

Schlechte Tage? Die gibt es auch

Gela Allmann sprüht vor Ehrgeiz und Energie, mental ist sie nicht nur stabil – sie ist nicht zu bremsen, wie Physiotherapeut Alf Rehneke später der SZ erzählen wird. Doch es gibt Rückschläge. Schlechte Tage. Der Nerv, der im rechten Bein gerissen ist, wächst nicht richtig zusammen. Die Schulter macht nicht wirklich mit. Und überhaupt, was ist mit Allmanns beruflicher Zukunft als Fernsehredakteurin, Sport-Model und Extremsportlerin? Ist auf die Versicherungen Verlass? Es gibt auch Sorgen in Allmanns Leben. Aber sie zeigt sie nicht nach außen hin. Wenn Rückschläge eintreten, verschweigt Allmann diese eher.

Aber sie ist eine Kämpferin. Heute ist Gela Allmann zwar nicht das, was man vollkommen gesund nennen würde. Aber ein paar Knorpel halten die Knie zusammen, in denen es keine Menisken mehr gibt und keine Bänder. Eine Nerventransplantation hat sie mitgemacht, und was heute noch sichtbar ist, sind die vielen Narben an ihr. Dafür läuft sie heute wieder hinauf auf die Berge, die ihr so viel bedeuten. Verarbeitet hat sie ihre Erlebnisse in einem Buch, es heißt „Sturz in die Tiefe“, sie hat es tatsächlich selbst geschrieben, kein Ghostwriter. Außerdem gibt es einen Kurzfilm namens „One Step“ über Gela Allmann und ihre ungewöhnliche Geschichte mit Happy End. Ein Sturz ins Bodenlose war es also eher nicht.


Gast auch Du schon einmal eine Extremsituation erlebt, die nicht ganz ungefährlich war? Oder Dich in einer langen Reha gequält wie Gela Allmann? Denkst Du, dass Unfälle dieser Art auch geschehen, weil die Jagd nach immer sensationelleren Fotos zu gefährlich geworden ist? Teil‘ uns in den Kommentaren einfach mit, was Du so darüber denkst!

Quelle Titelbild: Baschi Bender

Holger

Freier Journalist und Texter. Recherchiert und schreibt über alles, was nicht 08/15 ist und Eindruck hinterlässt. Ist gern unterwegs in der Weltgeschichte.

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